Der Merkurtransit aus der Perspektive eines Blinden

Gestern haben viele das astronomische Großereignis des Jahres verfolgt: den Merkurtransit. Zum ersten Mal seit 13 Jahren war der Merkurdurchgang vor der Sonne bei uns wieder zu sehen. Ganz so leicht beobachten wie eine Sonnenfinsternis konnte man ihn freilich nicht. Mit einem eigenen Teleskop oder an einer Volkssternwarte war er aber gut zu sehen. „Sehen“ – das ist genau das Stichwort. Denn selbst mit der geeigneten Ausrüstung kann nicht jeder ein solches Himmelsereignis ohne Probleme beobachten. Blinde Menschen haben es hier nicht ganz so leicht. Doch das heißt noch lange nicht, dass das Universum für sie nicht erlebbar ist.

Das beweist Gerhard Jaworek, der selbst blind ist, was seiner Leidenschaft für die Astronomie aber keinen Abbruch tut. Er arbeitet am Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) am Lehrstuhl für IT-Systeme für Sehgeschädigte. Hier unterstützt er Studierenden mit Seheinschränkung darin, möglichst barrierearm studieren zu können. Seine Mission ist die „Inklusion am Himmel“. Für diese Arbeit wurde er als Mitglied in die Deutsche Astronomische Gesellschaft aufgenommen.

Im Studienzentrum für Sehgeschädigte zeigt Gerhard Jaworek blinden Studierenden, wie auch Menschen ohne Sehvermögen studieren können. Er selbst ist der Beweis dafür, dass man trotz Blindheit Unbekanntem begegnen, Ziele erreichen und Hobbys leben kann. Der von Geburt an Blinde, der Abitur machte und dann Informatik studierte, verfolgt sein Hobby Astronomie mit Leidenschaft.  © copyright by KIT Presse, Kommunikation und Marketing Abdruck honorarfrei im redaktionellen Bereich Belegexemplar erbeten  *** Local Caption *** Im Studienzentrum für Sehgeschädigte zeigt Gerhard Jaworek blinden Studierenden, wie auch Menschen ohne Sehvermögen studieren können. Er selbst ist der Beweis dafür, dass man trotz Blindheit Unbekanntem begegnen, Ziele erreichen und Hobbys leben kann. Der von Geburt an Blinde, der Abitur machte und dann Informatik studierte, verfolgt sein Hobby Astronomie mit Leidenschaft.  © copyright by KIT Presse, Kommunikation und Marketing Abdruck honorarfrei im redaktionellen Bereich Belegexemplar erbeten

Im Studienzentrum für Sehgeschädigte zeigt Gerhard Jaworek blinden Studierenden, wie auch Menschen ohne Sehvermögen studieren können. © copyright by KIT

Wie es war, den Merkurtransit als blinder Mensch zu verfolgen, erzählt Gerhard Jaworek in seinem Erlebnisbericht:

„Es liegt nun hinter uns, das große astronomische Ereignis, das so klein und unsichtbar scheint.

Auch ich habe das Ereignis mit der Astrobrille Universe2go verfolgen können. Zunächst suchte ich im Planeten-Suchmodus die Sonne. Die hätte ich auch so gefunden aber ich wollte es vollständig mit Universe2go machen. Das funktionierte prima, denn sie ist so groß und auch so nah. Im nächsten Schritt drehte ich mich wieder aus der Sonne und stellte die Suche auf den Merkur ein. Und siehe da. Als ich ihn fand, knallte mir die Sonne voll ins Gesicht. Natürlich wusste ich, dass dem so sein würde. Aber es mit einem Instrument nachzuempfinden und zu erleben, ist etwas anderes als es einfach nur zu wissen.

Ich wiederholte den Versuch zu Beginn gegen 14:00 Uhr, zur Mitte gegen etwa 17:30 Uhr und zum Ende gegen 20:15 Uhr. Mein Ziel war, die Wanderung des Merkur über die Sonnenscheibe zu erleben. Ich bilde mir ein, den Unterschied von einem zum anderen Rand erlebt zu haben, bin mir aber wirklich nicht sicher. Die Erde hat sich ja in der Zwischenzeit auch beträchtlich gedreht. Das habe ich natürlich in Richtung und Winkel zur Ekliptik durchaus mit Universe2go erlebt.

Die Wanderung des Merkurs kann ich allerdings wirklich aus rein wissenschaftlicher Sicht nicht ganz sicher belegen, aber gefühlt ist gefühlt und das ist auch OK so.

Wer ein Iphone benutzt und sich für Astronomie interessiert, sollte sich unbedingt mal Universe2go anschauen. Ich arbeite mittlerweile seit einem Jahr mit dem Entwickler, Martin Neumann, zusammen. Er setzt in seiner einfühlenden und wunderbaren Art sehr gut alles um, was wir uns für Blinde ausdenken. Hätte mich letztes Jahr im Februar, als wir uns kennen lernten, jemand gefragt, ob ich mir vorstellen kann, dass eine Astro-App je für Blinde zugänglich sein würde, hätte ich das vermutlich verneint. Und jetzt ist es so, dass es funktioniert.“

Am 01.10.2015 erschien Gerhard Jaworeks Buch „Blind zu den Sternen – mein Weg als Astronom“ im Aquensisverlag Baden-Baden. Darin beschreibt er, wie er mit seiner Blindheit Astronomie inklusiv mit nichtbehinderten Astronomen betreibt.

Text: Gerhard Jaworek

Bilder: Carlos Malagón,  KIT/Gerhard Jaworek